Peter Becker über die dunkle Triade

Der Begriff der dunklen Triade kommt aus der Psychologie. Er fasst drei sozial unverträgliche Eigenschaften zusammen: manipulatives Verhalten, Empathielosigkeit und Selbsterhöhung. Bei Führungskräften lässt sich dieses Zusammenspiel leider nur allzu häufig beobachten.

Zwar wirken sie auf den ersten Blick zielstrebig, charismatisch, intelligent, äußerst robust, treten mit Charme auf und haben auch ein gutes Gespür für all ihre Stärken. Das verhilft ihnen dazu, die Karriereleiter zu erklimmen, bringt ihnen zudem viel Bewunderung ein – auch von ihren Mitarbeitern. Nach einer gewissen Zeit aber fallen solche Führungskräfte unweigerlich auf und ihr täuschendes, manipulatives Verhalten kommt zum Vorschein.

Je höher die Hierarchieebene, desto mehr Menschen betrifft es. „Manager zeigen überzufällig oft psychopathische, narzisstische und machiavellistische Auffälligkeiten“, sagt Dr. Rüdiger Hossiep, Wirtschafts- und Personalpsychologe der Universität Bochum. Auch in der Ausgabe Februar 2022 der Zeitschrift „managerSeminare“ wird das belegt. Hier wird eine psychologische Fragebogenstudie mit rund 800 Teilnehmern aus Deutschland und Ungarn angeführt. „Wir konnten nachweisen, was viele Führungsexperten bereits vermuten: eine positive Korrelation zwischen der Höhe der Führungsposition und der Ausprägung dieser drei Merkmale“, erklärt Sandra Julia Diller aus dem Forschungsteam.

Die Betroffenen haben jedoch kein realistisches Selbstbild, erkennen ihr Verhalten nicht als negativ und ordnen es demnach auch nicht als Problem ein. Es herrscht vielmehr eine große Tendenz zur Selbstüberschätzung vor. Sie bezeichnen ihren Führungsstil als transformational, ehtisch und strategisch. Doch das widerspricht der Einschätzung ihrer Mitarbeiter mehr als deutlich. Von diesen ordnet mehr als die Hälfte ihrem Vorgesetzen einen direktiven Führungsstil zu. Er erteilt Anweisungen und erwartet ganz klar, dass die Mitarbeiter diesen Folge leisten.

Die dunkle Triade ist eine vor allem auf kurzfristige Erfolge ausgelegte Überlebensstrategie.

Bei der Auswahl, Beurteilung und im Coaching von Führungskräften ist es deshalb wichtig, auf einige zentrale Persönlichkeitseigenschaften zu schauen, die der dunklen Triade entgegenwirken und unter dem Begriff „Bescheidenheit“ (Humility) zusammengefasst werden können. Im Gegensatz zu Arroganz ist Bescheidenheit eine fundamentale Einstellung im Wertesystem einer Führungspersönlichkeit mit Herz.

In dem Werk „Our View on New Leadership“ [1] werden sechs Faktoren genannt, die ich mir anschaue:

  • Die Resultate anderer stärker betonen als die eigenen

  • Lernbereitschaft und offen für Feedback von unterschiedlichen Menschen

  • Eigene Fehler und persönliche Grenzen eingestehen bzw. akzeptieren

  • Respekt gegenüber der bedingungslosen Würde anderer

  • Kein übermäßiges Selbstbewusstsein zeigen oder übermütig sein

  • Kein überzogenes Anspruchsdenken

Die Persönlichkeitsentwicklung hin zu mehr „Bescheidenheit“ ist ein Prozess. Mit ein paar Tipps zu Verhaltensänderungen oder mit guten Ratschlägen, wie man sie in vielen Seminaren oder Büchern vermittelt bekommt, ist das nicht zu erreichen. Dieser zum Teil nicht einfache Prozess der Beschäftigung mit den sogenannten „Schattenseiten“ der Persönlichkeit beginnen Manager erst dann bereitwillig, wenn sie den daraus resultierenden Gewinn für ihren eigenen Wert und für eine höhere Arbeits- und Lebenszufriedenheit emotional wahrnehmen können.

Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, dass es Ansatzpunkte gibt, der Verbreitung der dunklen Triade auf der Führungsebene entgegenzuwirken. Die Stellschrauben liegen im Bereich Personalauswahl und im Bereich Personalentwicklung. Legt man auf beide Bereiche Wert und verfolgt sie nachhaltig, schafft man einen großen Mehrwert für das gesamte Unternehmen.

[1] Our View on New Leadership: How to Grow Humility in Charismatic Leaders
Dr. René Kusch, Dr. Robert Hogan, Dr. Ryne Sherman, Annette Czernik; Relevant Managementberatung, 2019